Provokativ nachgefragt: Kann § 2a NotSanG durch den Arbeitgeber ohne weiteres eingeschränkt werden?

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Kann § 2a Notfallsanitätergesetz (NotSanG) eingeschränkt werden? 

Eine Frage, deren Antwort in einem juristischen Kontakt zu erahnen ist, nämlich: Es kommt darauf an.

Um jedoch den Spielraum einer möglichen Antwort nicht ausufern zu lassen, ist es notwendig diesen zu begrenzen und zu fragen: Worauf kommt es an?

Um nun nicht ganz vorne anzufangen zu müssen und die Frage nach der Verfassungskonformität in den Ring zu werfen, darf diese als gegeben unterstellt werden (vgl. Bundestagsdrucksache 19/24447). 

Eine Einschränkung von § 2a NotSanG kann unserer Auffassung nach selbst nur durch landesgesetzliche und oder bundesgesetzliche Regelungen erfolgen. Ein Beispiel für eine landesgesetzlich beschränkende Regelung wäre der 2022 im niedersächsischen Landtag eingebrachte Änderungsvorschlag des niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes (vgl. Nds. Landtag, Drucksache 18/10734).

Einschränkungen und Vorgaben, welche seitens eines Ärztlichen Leiter Rettungsdienst getroffen werden, ohne das diese eine landesgesetzliche Grundlage hätten, wären unserer Auffassung nach grundsätzlich unbeachtlich, solang sie die eigenverantwortliche Ausübung der Heilkunde nach § 2a NotSanG beschränken. Empfehlungen können hingegen jederzeit ausgesprochen und als Handlungsoption vorgeschlagen werden.

Jener Fall ist dann ein anderer, wenn durch die Notfallsanitäterin/ den Notfallsanitäter eine SOP/SAA/Handlungsalgorithmus und ähnliches – also eine general- und/oder vorabdelegierte Maßnahme – im Einsatz angewendet wird. Dann müssen erfolgte ärztliche Vorgaben peinlichst genau eingehalten und befolgt werden. Dies gilt insbesondere für ein Vorgehen im Rahmen von § 13 Ib BtMG. Diesbezüglich obliegen dem ÄLRD selbstverständlich richtungsweisende Vorgabekompetenzen und zwar in Bezug auf alle (gernal- und vorab-) delegierten Maßnahmen und Versorgungspfade.

Da eine Betäubungsmittelgabe durch die Notfallsanitäterin/ den Notfallsanitäter eigenverantwortlich im Rahme des § 2a NotSanG per se ausgeschlossen ist, können die sich iZm. § 13 Ib BtMG möglicherweise ergebenden Fragen an anderer Stelle aufgegriffen werden. 

Der Beruf der Notfallsanitäterin/ des Notfallsanitäters ist im Grund stets ein weisungsabhängiger Beruf und kann nicht in reiner Selbstständigkeit ausgeübt. werden. Die mit „freelancenden“ Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern verbundenen arbeits-/ und/oder dienstrechtlichen Problematiken sollen hier außenvor gelassen werden, da sie unserer Auffassung nach im vorliegenden Kontext, wenn überhaupt nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die Teilnahme am Rettungsdienst erfolgte nach landesrechtlichen Vorgaben und ist insoweit auch an eine Zulassung eines Leistungserbringers geknüpft. Die reine Selbstständigkeit ist daher per se ausgeschlossen. Dh. die meisten im Rettungsdienst nach dem NotSanG ausgebildete Personen üben ihre Tätigkeit im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses aus.

Explizit ausgeklammert wird an dieser Stelle eine möglicherweise abweichende beamtenrechtliche Betrachtung, welche sich im Rahmen eines Beamtenrechtsverhältnisses ergeben könnte. 

Insoweit ist an dieser Stelle nur die Frage aufzuwerfen, ob ein Arbeitgeber – gemeint sind einzelne Leistungserbringer – durch verbindlich gestaltete Dienstanweisungen einer Notfallsanitäterin/ einem Notfallsanitäter, zum einen die Anwendung von § 2a NotSanG ganz oder auch nur teilweise verbieten kann, also z.B. die Anwendung an Voraussetzungen knüpft, welche über die gesetzlichen hinausgeht.

Eine Notfallsanitäterin/ ein Notfallsanitäter schuldet im Rahmen seines Arbeitsvertrages seine Arbeitskraft nach Weisung des Arbeitgebers, im vertraglich vereinbarten Rahmen, am vereinbarten Ort und zur vereinbarten Zeit einzusetzen. Das Direktionsrecht gibt dem Arbeitgeber die notwendige Kontrolle über die Arbeitsorganisation (Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Festlegung von Arbeitszeiten und -orten und Unternehmensorganisation). Einschränkungen ergeben sich hierbei aus dem Arbeitsvertrag an sich, Gesetzen, Tarifverträgen und dem Billigkeitsgrundsatz.

Im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers kann dieser grundsätzlich die Arbeitsweise und das Verhalten des Arbeitnehmers in bestimmten Grenzen festlegen und innerhalb dieser Grenzen ist er natürlich frei. Ein Verbot für eine Notfallsanitäterin/ einen Notfallsnitäter, Patienten nur unter bestimmten Umständen zu helfen, wäre jedoch problematisch und in der Regel nicht mit den beruflichen Pflichten einer Notfallsanitäterin/ eines Notfallsanitäters unserer Auffassung nach vereinbar. Ebenso eine genau umgekehrte Regelung, also eine solche, welche der Notfallsanitäterin/ dem Notfallsanitäter im Rahmen einer Dienstvereinbarung/Arbeitsanweisung „erlauben“ würde, über das sich in § 2a NotSanG Ergebende, heilkundlich tätig zu werden (zB. Ausstellung eines Leichenschauscheins beispielhaft nach § 10 FBG).

Das Direktionsrecht des Arbeitgebers ist zwar durchaus weitreichend, aber eben nicht grenzenlos. Würde beispielsweise eine Dienstanweisung lauten, dass bevor eine Notfallsanitäterin/ ein Notfallsanitäter heilkundliche Maßnahmen nach § 2a des NotSanG ergreifen darf, ein Notarztruf erfolgt sein muss, bestünde hierin eine, unserer Auffassung nach, unzulässige Einschränkung, welcher außerdem zu einer erheblichen Pflichtenkollision der handelnden Person führen kann. So beispielsweise, wenn ein Notarztruf erst gar nicht möglich ist, weil sich das Rettungsdienstpersonal in einem Funkloch befindet und die Herstellung einer möglichen Funk- und oder Netzverbindung nur unter erheblichem Zeitaufwand möglich wäre. In diesem Fall würde die verantwortliche Person im Konflikt stehen, einerseits eine fragliche Dienstanweisung umzusetzen, andererseits den Verpflichtungen gegenüber dem Patienten und die Erfüllung der Garantenstellung zu vernachlässigen. Das dieses Dilemma in einem solchen Fall sehr wahrscheinlich über § 34 StGB gelöst würde, wie vermutlich all die Jahrzehnte zuvor, liegt nahe und stellt insoweit auch keine wirkliche „Drohkulisse“ dar. Allerdings ist einer Notfallsanitäterin/ einem Notfallsanitäter, gerade seit der Einführung von § 2a NotSanG, nicht mehr zumutbar, entsprechend vorhersehbare Lücken nur unter Zuhilfenahme des rechtfertigenden Notstandes zu schließen, um so eine Strafbarkeit zu umgehen. Letztlich führte eben genau dieses Dilemma dazu, dass § 2a NotSanG geschaffen wurde (vgl. die Stellungnahme von Prof. Sodan, zur Ausschußdrucksache 19 (14) 255 (20)). Es kann daher unserer Auffassung nach nicht dazu kommen, dass durch Schaffung derartiger Konstellationen, die an sich zu vermeidende Situation, durch eine Dienstanweisung wieder durch die „Hintertüre“ regulär eingeführt würde.

Eine andere Situation ergibt sich in unseren Augen erst dann, wenn aus der eigenverantwortlichen Heilkundeerlaubnis, eine „eigenmächtige“ erwächst und dies zur Annahme möglicher Unzuverlässigkeit der handelnden Person führt. Hier obliegt es einem Arbeitgeber natürlich, dies entsprechend zu regulieren und ggf. auch zu sanktionieren, wobei selbiges, unserer Auffassung nach, nur durch individuelle Maßnahmen erfolgend (z.B. Nachschulung, Einsatz auf verantwortungsarmen Positionen etc.) und nicht im Rahmen allgemeiner Dienstanweisungen geregelt, bzw. erst recht nicht vermieden werden kann. 

Aus § 2a NotSanG ergibt sich unserer Auffassung nach gerade nicht, dass für den Fall des Ausübens der eigenständigen Heilkunde immer sofort und unverzüglich, ein Notarzt hinzugezogen werden muss. Der Gesetzestext „Bis zum Eintreffen der Notärztin oder des Notarztes ODER bis zum Beginn einer weiteren ärztlichen, auch teleärztlichen, Versorgung dürfen (…)“ (Hervorhebungen und Unterstreichungen durch Autor) sieht ausdrücklich ein alternatives Verhalten vor, ohne dass die Wahl einer bestimmten Alternative augenscheinlich priorisiert werden müsste. Die zur eigenverantwortlichen Durchführung der Heilkunde relevanten Voraussetzungen sind hingegen in den Nr. 1 und Nr. 2 des § 2a NotSanG festgelegt, welche jedoch vorliegend nicht weiter thematisiert werden soll. Dies ist an anderer Stelle zu vertiefen.

Es soll hier somit nur gefragt werden, ob § 2a NotSanG von sich aus immer zwingend voraussetzt, dass die Heilkundebefugnis an einen vorherigen Notarztruf geknüpft ist. Weder im Rahmen einer grammatikalischer Auslegung der Norm, noch aus Bezugnahme zu Äußerungen des Gesetzgebers im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens, kann dies geschlossen werden. Dort wird einerseits auf das alternierende Verhältnis (Eintreffen eines Notarztes, oder Beginn einer weiteren ärztlichen Versorgung) abgestellt (vgl. Bundestags-Drucksache 19/24447, S. 85) und andererseits auf die in den Nr. 1 und Nr. 2 von § 2a NotSanG formulierten Bedingungen.

Nichts anderes lässt sich auch aus dem Beschluss des VGH München vom 21.04.2021 – 12 CS 21.702 – entnehmen (vgl. Leitsätze Nr. 10 und 12). Falls eingewendet wird, das Gericht setze voraus, dass die Erreichbarkeit notärztlicher Hilfe entscheidend sei oder ein Notarztruf stets der eigenständigen Heilkundeausübung im Rahmen von § 2a NotSanG vorausgehen müsse, lässt sich dem zweierlei entgegnen: Erstens ergibt sich dies aus keiner Formulierung des Gerichtes eindeutig und zweifelsfrei. Zweitens wurde im zugrunde liegenden Sachverhalt von den Notfallsanitätern weder vor noch während des Einsatzes eine Notarztnachalarmierung veranlasst, ohne dass dies durch das Gericht in irgendeiner Weise „bemängelt“ oder auch in Zweifel gezogen wurde. Vielmehr wurde klargestellt, dass Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2a NotSanG ein eigenverantwortlich handelnder Teil der Rettungskette sind. Dies zeigt sich auch im Rahmen der weiteren Beschlussbegründung (vgl. RdNr. 69 VGH München aaO).

Selbst das VG Regensburg geht in seiner abschließenden Entscheidung (VG Regensburg Beschluss vom 21.03.2023 – RN 4 K 20.3243) kursorisch auf den Gedanken des Gesetzgebers ein, dass § 2a NotSanG letztlich eine spiegelbildliche Wiedergabe des § 4 II Nr. 1c NotSanG sei (BR Drucksache 562/20 S. 24). Dort ist gleichfalls ein „Entweder-Oder“ normiert. Hinsichtlich der Bedeutung der Ausführungen des VG Regensburg sei flankierend noch darauf hingewiesen, dass alle Ausführungen nur allgemein gehalten sind, da das Verfahren eingestellt und eine Begründung nicht weiter zwingend erforderlich war, anders als der Beschlusstext des VGH München zwei Jahre zuvor. Auch der vom VG Regensburg getroffene Kostenentscheidung kann nur, wenn überhaupt indizielle Wirkung zukommen, da eine weitere Entscheidung des VGH München ausgeblieben ist und insoweit alles andere gemutmaßt wurde..

Abschließend kommen wir insoweit zu dem Ergebnis, dass § 2a NotSanG nicht ohne weiteres durch entsprechende Dienstanweisungen eingeschränkt, oder an bestimmte Voraussetzungen geknüpft werden kann. Sollten gleichwohl entsprechende Dienstanweisungen bestehen, könnte unserer Auffassung nach ein entsprechender Verstoß hiergegen, arbeitsrechtlich nicht sanktioniert werden. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers alleine, rechtfertigt entsprechende einengende Regelungen unserer Ansicht gerade nicht. 

Vorsorglich weisen wir jedoch auch daraufhin, dass jede einzelne Regelung anwaltlich zuvor zu prüfen ist und es keinesfalls empfohlen wird, ungesehen gegen Dienstanweisungen „zu verstoßen“. 

Ein weiterer von uns hier nicht besprochener Aspekt ist natürlich die Frage der Haftung, welche im Zusammenhang mit § 2a NotSanG verbunden ist. Allerdings hat dies auch nichts mit der eingangs aufgeworfenen Fragestellung direkt etwas zu tun und soll daher an anderer Stelle nochmals vertieft werden.

Wir äußern hier ausschließlich unsere fachliche Meinung und stellen unsere Sicht auf die aufgeworfene Problematik dar.

Die obigen Zitierungen erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen, Fehler können gleichwohl nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

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