Egoismus, Dummheit, manchmal aber einfach auch schlichte Überforderung führen immer wieder dazu, dass Rettungsfahrzeuge auf einer Einsatzfahrt behindert und aufgehalten werden. Im Jahre 2021 hatte das AG Ibbenbüren einen solchen Sachverhalt zu verhandeln. Das Ergebnis: Eine Geldstrafe von nahezu 4 Monatsgehältern und ein 4 monatiges Fahrverbot. Im März 2022 wurde dieses Urteil, durch das OLG Hamm als rechtsfehlerfrei bestätigt (Az. 4 RVs 2/22) und ist damit rechtskräftig.
Was aber war passiert?
An einem Tag im September 2019 kam es im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Ibbenbüren zu einem Alleinunfall einer Radfahrerin. Diese hatte sich durch den Sturz, eine stark blutende Kopfplatzwunde zugezogen. Durch Ersthelfer, u.a. einen vorbeikommenden Autofahrer, wurde die Fahrradfahrerin erstversorgt. Relativ zeitnah trafen auch Polizeibeamte mit ihrem Fahrzeug an der Unfallstelle ein. Beide Fahrzeuge, also das des Ersthelfers und das der Polizei, waren derart abgestellt, dass es zu einer Verengung der Fahrbahn kam. Sie standen versetzt auf den gegenüber liegenden Straßenseiten. Es bildete sich also eine Art Flaschenhals.
Der in dem Verfahren angeklagte Mann, über dessen Hintergründe leider nichts in den schriftlichen Urteilsgründen des OLG Hamm zu lesen war, kam seinerseits an dieser Unfallstelle vorbei, ärgerte sich über das schlecht abgestellte Fahrzeug des einen Ersthelfers und hielt exakt in der beschriebenen Engstelle an. Der Verkehr kam somit ganz zum Erliegen, was ihm vollkommen klar war. Das Fenster öffnend forderte er den Ersthelfer auf, das Fahrzeug wegzufahren. Das Ganze mit einem beschimpfenden Ton. Zur selben Zeit traf auch der hinzugerufene RTW an der Engstelle ein, konnte jedoch wegen des Angeklagten nicht zur Unfallstelle vorfahren. Erst nach ca. 1 Minute und dem Einwirken der Polizeibeamten, fuhr der Angeklagte weiter, ermöglichte dem RTW die Durchfahrt und stellt sein Fahrzeug selbst vor das Fahrzeug des Ersthelfers. Der Angeklagte diskutierte im weiteren Verlauf auch mit den Polizeibeamten und sparte nicht mit der ein oder anderen Beleidung in Richtung des Erst-Helfers. Kontakt und weitere Einwirkungen auf den Rettungsdienst gab es nicht mehr. Es verblieb also eine Behinderung des RTWs von ca. 1 Minute.
Wer nun aber denkt, dass dies der gesamte Sachverhalt wäre, irrt. Ein weiteres Kabinettsstück folgte nämlich noch. Der Angeklagte fuhr im Anschluss an die erfolgte Polizeikontrolle an der Einsatzstelle, um welche er auch ganz laut gebettelt hatte, zu einer in der Nähe gelegenen Polizeistation. Dort erstattete er Strafanzeige gegen einen, der ihn kontrollierenden Polizeibeamten. Er behauptete wahrheitswidrig, dass jener Beamte ihn im Rahmen der verbalen Auseinandersetzung an der Einsatzstelle und der erfolgten Kontrolle, mehrfach als Blödmann betitelt habe. Zu dumm nur, dass dies niemand bestätigen konnte. Respekt für diese gelungene, kognitive Meisterleistung.
Insgesamt hatte der Angeklagte also mehr als einmal danach gerufen, vor dem Strafgericht auftreten zu wollen. Diesem dringlichen Wunsch sollte auch entsprochen werden. Seinen Auftritt bekam der Angeklagte vor dem AG Ibbenbüren.
Wie entschied das Amtsgericht nun?
Nahezu zwei Jahre nach der Tat, kam es im Jahr 2021 zur Hauptverhandlung vor dem Strafrichter. Am Ende wurde der Angekalgte zu einer Gesamtstrafe von 110 Tagessätzen und einem viermonatigen (ja, vier Monate) Fahrverbot verurteilt. Angesichts der Tatvorwürfe und dem Umstand, dass die Versorgung der Fahrradfahrerin um lediglich eine Minute verzögert wurde, ein doch sehr deutliches Urteil.
Tatbestandlich sind Beleidigung und falsche Verdächtigungen absolut klar und eindeutig. Hier bedarf es keiner großen Ausführungen. Jemanden anderen zu beleidigen, mag, wie im vorliegenden Fall geschehen, passieren. In Kenntnis jedoch mehrerer am Tatort anwesender Menschen, u.a. zweier Polizeibeamten, zu behaupten, ein Polizist habe ihn beleidigt, also zu behaupten dieser habe sich selbst wegen Beleidung strafbar gemacht, ist und bleibt schlicht dumm! Das eigene, fehlerhafte Verhalten mit einem erdachten strafbaren Verhalten eines anderen, in ein besseres Licht stellen zu wollen, kommt bei Strafverfolgungsbehörden selten gut an.
Interessant ist die Beantwortung der Frage, welche Anforderungen an die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 113 StGB, also Gewalt oder zumindest Drohung mit Gewalt, im vorliegenden Fall angelegt werden müssen. Recht unstreitig ist, dass Gewalt in diesen Fällen immer dann anzunehmen ist, wenn der Weg zum Unfallort versperrt wird, oder aber das Rettungsdienstpersonal einen deutlichen Umweg nehmen muss. Einen Umweg musste im vorliegenden Fall der RTW nicht machen. Es kam lediglich zu einer Verzögerung von ca. 1 Minute, was aber nach Auffassung des Gerichts ausreicht, um die tatbestandlichen Voraussetzungen des §§ 113, 115 StGB zu erfüllen. Ausschlaggebend war hier die stark blutende Kopfwunde, welche eine zügige Versorgung erforderte.
(Anmerkung: Neben dem objektiven Moment, muss der Täter natürlich auch vorsätzlich handeln, also zumindest billigend den Erfolg, hier das Aufhalten von Rettungsmitteln, in Kauf nehmen. Was das Amtsgericht auch unstreitig annahm.)
Tipp am Rande:
Um betroffenem Rettungsdienstfachpersonal gerade im Moment der Alarmierung und Einsatzfahrten nicht noch weitere Bürden auferlegen zu müssen, empfiehlt es sich in solchen und ähnlichen Fällen, die Kennzeichen von tatbetroffenen Fahrzeugen zu notieren, eine kurze Situationsbeschreibung, aber auch alle weiteren Veränderungen über Funk an die Leitstelle durchzugeben. Neben dem Umstand, dass die Leitstelle so über die Situation bescheid weiß und ggf. die Polizei verständigen könnte, findet auf diese Art und Weise auch eine Dokumentation und damit eine zeitliche Fixierung statt. Dh. also, dass auch ein bohrendes Nachfragen eines Verteidigers in einer Hauptverhandlung ganz einfach und entspannt durch Verweis auf entsprechende Aufzeichnungen abgewehrt werden kann. Als Betroffener muss man so nicht mehr befürchten, unnötigerweise vom Verteidiger gegrillt zu werden.
Quelle: https://www.burhoff.de/asp_weitere_beschluesse/inhalte/6998.htm

Ein Gedanke zu “Wenn Dummheit den Weg versperrt, lädt das Amtsgericht zur Verhandlung (Beschluss des OLG Hamm v. 10.05.2022)”