Der Jurist als Schreckgespenst? Ein kritischer Kommentar

Gerade im Zusammenhang mit der Novellierung des NotSanG wird immer wieder viel diskutiert. Dies ist zwar einerseits notwendig, anderseits verbreiten sich aber eben auch die unterschiedlichsten Mythen, die, aufgeblasen zu einem Schreckgespenst, für viel Unsicherheit und Angst sorgen können.

Oft ist zu lesen, dass die in dem Paragraphen genannten Begriffe bis jetzt noch nicht definiert seien und damit „der Willkür“ der Gerichte unterliegen, bzw. unterliegen könnten. Zwar ist nicht immer das Wort Willkür selbst gewählt, dennoch scheint es oft genau so gemeint zu sein, sei es in Artikeln, Blogbeiträgen, Podcast oder auch YouTube Beiträgen.

Worauf begründet sich das? Dahinter steckt in aller Regel Angst und Unsicherheit. Dies, dass kann man durchaus nachvollziehen, begründet sich unserer Auffassung nach darauf, dass natürlich Begriffe, wie z.B. „das Beherrschen“, „die Lebensgefahr“ oder auch „die wesentlichen Folgeschäden“ in § 2a NotSanG, in diesem Kontext neu und wenig kommentiert sind. Das aber kann und sollte nicht dazu führen, schlichtweg falsche Dinge in den Raum zu werfen.

Natürlich gestehen wir zu, dass die Juristerei eine Geisteswissenschaft ist und bleibt, insoweit oftmals also auch die Klarheit fehlt, sie zumindest vermisst wird, anders als man es möglicherweise aus der Naturwissenschaft gewohnt sein könnte. Drei Juristen ergeben nicht selten mehr als 6 Antworten und auch die wohl beliebteste Antwort eines Juristen, ist tatsächlich, „es kommt darauf an“. Dennoch bleibt gerade auch die Juristerei ein wichtiger Bestandteil.

Für Skeptiker sei noch erwähnt, dass es immer auch Spielregeln gibt, an die sich „sogar“ Juristen, also auch Richter, halten müssen. Die Spielanleitung selbst findet sich zunächst im Grundgesetz und damit im Verfassungsrecht.  Ein wesentliches Element spielen hierbei u.a. die Grundrechte und die Gewaltenteilung. Diese bedeutet, dass alle drei Staatsgewalten (Judikative, Legislative, Exekutive) von einander unabhängig handeln und entscheiden können und müssen. Das führt natürlich auch dazu, dass der Richter, als Teil der Judikative, weder daran gebunden ist, was ein Staatsanwalt oder ein Rechtsanwalt sagt und schreibt, noch daran, was in einer Gesetzesbegründung steht. Letztlich ist dies gut und richtig. Dennoch unterliegt auch ein Richter dem Willkürverbot, quasi eine der Fangleinen, welche das Verfassungsrecht für „wildgewordene“ Juristen vorsieht.

Eine wesentliche Aufgabe eines Richters ist neben einer Sachverhaltsbeurteilung/ bzw. Feststellung, die Auslegung von Gesetzen und Rechtsnorme. Trotz der Unabhängigkeit der Justiz, darf dies eben gerade nicht willkürlich geschehen. So habe sich dahingehend gewisse anerkannte und geübte Methoden der Auslegung, Interpretation, Exegese entwickelt.

Wir wollen nun in keinen rechtsgeschichtlichen, rechtsphilosophischen und auch in keinen Methodikdiskurs treten. Gleichwohl sei erwähnt, dass gerade im Zusammenhang mit neuen Gesetzen, sich die Auslegung auch darauf bezieht, was der Gesetzgeber, also die Legislative, regeln wollte, also teleologisch. Neben historischen, grammatikalischen und systematischen Aspekten, spielt eben auch die Zielrichtung der betreffenden Norm (teleologisch), eine ganz entscheidende Rolle. Dazu gehört aber auch und in unseren Augen zwingend, mit welcher Begründung ein Gesetz verabschiedet wurde. Es ist insoweit also schlicht falsch, wenn immer wieder von dem ein oder anderen (traurigerweise) Juristen behauptet, bzw. sogar postuliert wird, Gerichte interessiere es nicht, was sich der Gesetzgeber gedacht habe. Solche Sätze sind nicht nur fachlich falsch, weil pauschal und eindimensional, sondern auch Gift im Rahmen der gesamten Auseinandersetzung, denn sie schüren Unsicherheiten und das an einer an sich unbegründeten Stelle. 

Die jetzt erfolgte Novellierung des NotSanG war absolut überfällig und es ist in unseren Augen ein ganz, ganz wichtiger Schritt, zum einen hinsichtlich der Anerkennung des Berufsbildes, zum anderen aber auch in Bezug auf die gewünschte Rechtssicherheit. Natürlich bleiben Fragen offen und natürlich ist das noch nicht das non plus ultra, aber es bleibt ein wichtiger Schritt, in die richtige Richtung und genau das sollte nicht verkannt werden. 

Die Präklinik, bestehend aus nicht-ärztlichem Fachpersonal (alle, nicht nur der Notfallsanitäter) und den ärztlichen Kollegen, ist und bleibt ein Teamsport, das aber bedeutet, dass wir auch als Team agieren müssen. Hierzu ist es nicht dienlich, nur pöbelnd in der Ecke zu stehen, oder fortwährend den Teufel an die Wand zu malen, egal von welcher Seite aus. Ein offener, ehrlicher und auf Augenhöhe stattfindender Diskurs muss weiterhin erfolgen. Das impliziert insoweit aber auch, immer wieder die eigene Postion kritisch zu überdenken.

Wenn wir aber immer wieder Schreckgespenster (egal von welcher Seite aus) ins Rennen schicken, werden wir uns nicht weiterentwickeln.

Für uns steht der Patient im Vordergrund und nicht etwa das eigene Brot, von welchem einem die Butter geklaut werden könnte.

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