In einer kurzen Podcastfolge hatten wir uns Ende 2020 über ein Urteil des LG Darmstadt vom 30.01.2020 unterhalten.
Kurzzusammenfassung:
Das LG Darmstadt hatte über eine Klage eines Vereines gegen einen Homöopathie-Hersteller zu entscheiden, es wurde begehrt den Vertrieb der „HCG C30 Globuli“ einzustellen. Die Begründung für die Klage war,
Es geht um eine Klage eines Vereins gegen einen Homöopathie-Hersteller. Dem Beklagten sollte verboten werden ein Mittel mit dem Namen „HCG C30 Globuli“ unter diesem Namen weiter zu vertreiben. Grund: Das Schwangerschaftshormon HCG sein in dem Produkt nicht enthalten, ein Irreführen und damit auch eine Gefährdung des Verbrauchers sei gegeben bzw. möglich. Einschub: Unserer Ansicht nach eines der Grundprobleme mit der Homöopathie an sich, aber das nur am Rande.
Das LG Darmstadt wies die Klage am im Januar 2020 ab, der Homöopathie-Hersteller durfte also weiter seine Zuckerkugel unter einer, wie wir finden, Scheinetikettierung, weiter vertreiben. Die Begründung des LG Darmstadt war, nur weil eine Substanz mit den üblichen und gängigen Methoden nicht nachweisbar ist, heißt es nicht, dass diese Substanz nicht vielleicht doch da ist. Ob die Sorge vor der Finanzgewalt solcher Hersteller und der Homöopathie-Lobby das Landgericht zu dieser, will sagen sehr haarsträubenden Begründung getrieben hat, oder möglicherweise Aluhüte getragen werden, kann nicht gesagt und soll auch nicht ernsthaft unterstellt werden. Fakt war jedoch, dass diese Begründung mehr als nur zweifelhaft erschien.
(Auszug aus dem Urteil des Landgerichts: „Auch dass ein Ausgangsstoff bei der verwendeten Dosierung „C30“ aufgrund der extremen Verdünnung mit den bisher bekannten wissenschaftlichen Methoden nicht mehr nachweisbar ist, führt nicht dazu, dass angenommen werden kann, dass der Stoff tatsächlich nicht in dem homöopathischen Medikament enthalten ist.“)
LG Darmstadt, Urteil 30.01.2020, AZ. 15 O 25/19 – https://openjur.de/u/2261584.html
Es ist bereits zweifelhaft, dass homöopathische Medikamente von einem Wirksamkeitsnachweis insoweit befreit sind, als dass sie sich auf den Binnenkonsens, bzw. die Binnenanerkennung berufen dürfen (siehe § 2 AMPV): Ist also ein Medikament nach den (fragwürdigen) Vorgaben von Hahnemann (1755-1843) hergestellt, gilt es als homöopathisches Medikament und erhält – verkürzt gesprochen – eine arzneirechtliche Zulassung mit all ihren Vorteilen (z.B. teurer Vertrieb in der Apotheke; Zucker im Laden ist günstiger), selbst wenn der Wirkstoff nicht im Ansatz mehr nachweisbar ist. (Eine sehr gute und wissenschaftlich auf sehr, sehr hohem Niveau fußende Zusammenfassung findet ihr auf dem Kanal von Mai Thi Nguyen-Kim, dem maiLab, Titel: „Homöopathie-Gesetz: Deutschlands schlechtestes Gesetz“)
Das nun aber ein Gericht den wissenschaftlichen Nachweis als Beweis nicht mehr gelten zu lassen schien, verwunderte doch bereit beim ersten Lebens des Urteils. Der Bezug auf Hahnemann ist letztlich auch nur der argumentative Rückzugsraum des Gerichtes, aber nicht einmal taktisch wirklich haltbar.
Hört gerne auch nochmals in unsere Folge rein, entweder direkt hier, oder überall dort, wo es Podcast zu hören gibt.
Das OLG Frankfurt am Main hat nach etwas 1,5 Jahren im Sommer 2021 ein Urteil in dem Berufungsverfahren getroffen. Das Verfahren war nämlich in die nächste Runde gegangen, nach dem die Kläger – richtigerweise – Rechtsmittel eingelegt hatten.
Link zum Urteil des OLG FFM: https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE210001173
Das Ergebnis: Die Kläger haben gewonnen, das Urteil des LG Darmstadt wurde insoweit abgeändert. Der Homöopathie-Hersteller darf damit das besagte Produkt nicht länger mit diesem Namen vertreiben, zumindest solange nicht, solange der Wirkstoff nicht nachweisbar ist (bei der C30 Potenz jedoch wohl auch ein aussichtsloses Unterfangen).
Ein Wehrmutstropfen bleibt jedoch: Es handelt sich nämlich „nur“ um ein sog. Anerkennungsurteil gem. § 307 ZPO, dh. das Urteil muss und ist nicht begründet. Es umfasst einzig den sog.Urteilstenor, also die Quintessenz, mithin das, was dem Beklagten nunmehr „verboten“ wurde. Eine gerichtliche Begründung, warum, wieso, weshalb das so ist und was sicherlich interessant geworden wäre, gibt es in diesem Fall jedoch leider nicht.
Dieser Wehrmutstropfen ist allerdings unserer Auffassung nach nur sehr klein, nahezu homöopathisch gering, gerade wenn man sich überlegt, dass der Beklagte, also der Homöopathie-Hersteller, in der ersten Instanz noch gewonnen hatte und nun in der zweiten Instanz die „Forderung“ der Kläger anerkennt (also verkürzt ausgedrückt damit sagt, dass die Kläger doch recht haben). Der Klärger muss damit das Produkt vom Markt nehmen und die Kosten des Rechtsstreits führen. All dies würde ein solcher Beklagte in einem solchen Prozessstadium wohl aber nicht machen, wenn es hierfür nicht „triftige“ Gründe gegeben hätten. Davon dürfen wir ausgehen. An dieser Stelle vielleicht ganz kurz der Hinweis für all diejenigen, die sich nun fragen, warum man überhaupt in einem solchen Stadium noch ein Anerkenntnis abgeben sollte, wenn am Ende das „Gleiche“ rauskommt, sei angemerkt, dass sich ein Anerkenntnisurteil zum einen kostentechnisch reduzierend auswirkt. Zum anderen dürfte sich natürlich aber auch ein seitenweise begründetes Urteil noch schlechter auf die Reputation auswirken, als wenn einfach „nur“ ein Urteilstenor in der Welt ist, dort dürfte vielleicht noch ein größeres PR-Potential drinnen versteckt sein.
Wischen wir also den vorhandenen Wehrmutstropfen weg, bleibt die Feststellung, dass gerade nicht mit etwas geworben werden darf, was nicht vorhanden ist, ein richtiger Schritt in die richtige Richtung also.
Es bleiben somit nur die Zuckerkügelchen am Ende übrig, so zumindest unsere Interpretation.
Ein weiterer Ansatz wäre auch, so wie es die Verbraucherschutzbehörde in den USA (Federal Trade Comission) seit längerem vorschreibt, einen Hinweis auf den homöopathischen Produkten lesbar zu drucken : „Es gibt keine wissenschaftlichen Belege, dass dieses Produkt wirkt,“ solange eben kein wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis überprüfbar erbracht worden ist.
